finden wir Erstmaligden Bezirk der Kaufunger "Freiheit" in den "Regimen et statuta
Kouffungensium" (UB Kaufungen 2, S. 541ff.), die zwischen 1413 und 1432 entstanden sind (UB Kaufungen 2, S,563)
und inhaltlich mindestens bis etwa 1370 zurückreichen, da die Pröpstin Johanna vom Stein bekundet, diese Statuten
seien während ihrer mehr als sechzigjährigen Anwesenheit im Stift immer gehalten worden.
Aus diesen Statuten ergibt sich, daß die Freiheit und das Dorf Oberkaufungen zu verschiedenen Pfarreien gehörten:
St. Georg stand dem Dorf Oberkaufungen zu, St. Benedikt gehörte zum Königshof Heinrichs II. - Freiheit und Dorf
Oberkaufungen dürften demnach von Anfang an zwei selbstständige Gemeinden gewesen sein.
Zudem war es in Kaufungen - im Gegensatz zu einem Nonnenkloster - üblich, daß jede Kanonisse ihr eigenes kleines
Haus oder zumindest eine Wohnung hatte. Dieses Haus wurde ihr beim Schulabgang von der Äbtissin zur Verfügung gestellt
und befand sich direkt neben den Stiftsgebäuden auf der Freiheit. Wer heute dort entlang geht, kann immer noch sehen,
wie klein dort die Häuser sind und daß sie offensichtlich keine Bauernhöfe waren oder sich überhaupt zur Bewirtschaftung
eigneten. Wenn dort auch heute nicht mehr die mittelalterlichen Häuser stehen, so ist doch davon auszugehen,
daß sich prinzipiell an der Grundstücksbebauung nicht viel geändert hat (BRÖDNER 1993).
Nachdem schon im 14. Jahundert die Gottesdienste in die Stiftskirche verlegt worden waren, wurde St. Benedikt 1524/25 dem
Stift inkorporiert (UB Kaufungen 2. Nr. 745, 753, 757 und 760) und geriet in Verfall. Die Freiheit aber blieb selbstständig bestehen,
wenn auch die Nachrichten über sie sehr lückenhaft sind. 1499 wird noch eine behusunge uff der Freiheit zw Cauffungen gelegen,
do itzo Contze Peters innewonet, genannt (UB Kaufungen, Nr.568), doch dann wird die Freiheit weder im Salbuch des Stiftes von
1519 noch in den Salbüchern des Amts Kassel von 1539 und 1582 (HStAM S 123 und S 124) noch im Dorfbuch von 1569 erwähnt.
Eine Andeutung findet sich erst wieder im Dorfbuch des Oekonomischen Staats Landgraf Wilhelm IV. von 1582, das auf das
Dorfbuch von 1575 zurückgeht: Es vermerkt unter Oberkaufungen 126 Hausgesessene, deren 12 frei sein, müssen aber zu allen
steuern contribuiren. In einem dritten Dorfbuch, das ebenfalls aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammen dürfte, erscheinen unter
Oberkaufungen 130 Hausgesessene, item 12 freye (HStAM S 33, S 34, S 35, S 38 1/3, S 44 und S 44a).
Das erneute Erbzinsbuch des Stifts Kaufungen von 1650 führt zwar die Freiheit, wie das Salbuch von 1519, nicht gesondert auf,
vermerkt aber bei einigen Oberkaufunger Zinsleuten, daß sie auf der Freiheit wohnen: Curdt Möller, Grebe (!) uff der Fryheitt,
Heinricus Grunewald uff der Freyheitt, Schulmeister Andreas Fraß auff der Freyheidt, Michael Dölden rel. uff der Freyheitt und
Wilhelm Koch uff der Freyheitt.
So werden auch im Salbuch von 1519 die Freiheiter Einwohner unter Oberkaufungen aufgeführt sein, weil ihr Grundbesitz in
der Oberkaufunger Gemarkung lag, während die Freiheit keine eigene Feldmark besaß. Dafür sprechen auch die Angaben des
Steuerstocks von 1694 (HStAM Kataster Oberkaufungen A1), der zwar die Freiheit gesondert aufzählt, aber anscheinend mit
Grundbesitz in Oberkaufungen. Nach dem Steuerstock gab es 1694 auf der Freiheit 32 Häuser, 13 Mannschaften (Haushaltungen),
9 Witwen und ledige Personen und 15 Handwerker, darunter 1 Jude.
Im Verzeichnis der hausgesessenen Mannschaft des Fürstentums Hessen-Kassel von 1681 (HStAM S 44a) wird die Freiheit bei
Kaufungen erstmals wieder selbstständig neben Oberkaufungen im Kasseler Gericht Neustadt aufgeführt. Es gab damals in der
Freiheit 18 Hausgesessene (Haushaltungen), 2 Ausschösser (Gemeindebevollmächtige) und 1 Junggeselle im Ausschoß. Ein
alphabetisches Dorfbuch, das um 1730 (HStAM S 40 und S44a) angesetzt wird, betrachtet Oberkaufungen und die Freiheit
Oberkaufungen als ein Dorf, nennt aber für die Freiheit gesondert 39 dem Stift Kaufungen zustehende Häuser. Ein weiteres Dorfbuch,
das 1747 (HStAM S37 und S 41) in Kassel präsentiert wurde, zählt die Freiheit Oberkaufungen mit 38 Feuerstätten und 34 Mannschaften
unter den Dörfern des Stifts Kaufungen auf.
Ausführlich schildert die "Spezialbeschreibung von der Dorfschaft Oberkaufungen und der Stifts-gemeinde, die Freiheit genannt, daselbst",
die Vorbeschreibung zum Oberkaufunger Kataster von 1777 (HStAM Kataster Oberkaufungen A1; MEYER 1962) in 48 Paragraphen die
Verhältnisse des Dorfs und der Freiheit. Zur Gemarkung des Dorfs Oberkaufungen heißt es in § 1: Die Freiheit ist hiermit ein-begriffen, weil
solche keine besondere Feldmark hat, vom Dorf auch weiter nicht unterschieden ist, als daß die Häuser derselben sämtlich auf dem Berge
um die Stiftsgebäute herum liegen. Nach § 20 bestand das Dorf aus 192 Häusern und 25 wüsten Baustätten und zählte insgesamt 872
Einwohner; in den 57 Häusern und 2 Baustätten der Stiftsgemeinde Freiheit wohnten insgesamt 328 Menschen. Dorf und Freiheit hatten
je eine eigene Gemeindeverwaltung und zwar das Dorf einen Greben und 4 Vorsteher, die Freiheit einen Greben und 2 Vorsteher.
Nachdem Freiheit und Dorf Oberkaufungen in westphälischer Zeit schon einmal vorübergehend vereinigt gewesen waren, bemühte sich
das kurhessische Kreisamt Kassel 1828/29 erneut um einen Zusammenschluß der beiden Gemeinden, der jedoch am Widerstand der
Einwohner der Stiftsfreiheit scheiterte (HStAM 180 Kassel Nr. 1233). Fünf Jahre später bestimmt §6 der kurhessischen Gemeindeordnung
vom 23.10.1834: Wenn an einem Orte oder innerhalb derselben unzertrennlichen Gemarkung bisher zwei oder mehrere Gemeinden
bestanden haben, so sollen diese zwar nur eine Gemeinde, unter einem und demselben Vorstande, Gemeinderate und Ausschusse bilden,
ihre besonderen Verhältnisse aber so lange abgesondert erhalten werden, bis eine andere Einrichtung aud die in § 3 näher bestimmte
Weise eingeführt wird. Auf grund dieser gesetzlichen Regelung wurden Dorf und Freiheit zu einer politischen Gemeinde unter einem
gemeinsamen Gemeindevorstand vereinigt,- der Versuch der Freiheit, die alte Selbstständigkeit 1848/49 wieder zu erlangen,
scheiterte (HStAM 180 Kassel Nr. 1233) - doch blieben die "besonderen Verhältnisse" beider Gemeinden lange bestehen: 1856 entschied
das Kasseler Innenministerium, daß bei Umzug eines Einwohners von einem Gemeindeteil in den anderen Einzugsgeld erhoben werden könne,
und noch 1876 führten Freiheit und Dorf Oberkaufungen getrennte Gemeindehaushalte (HStAM 165 Nr.2852).
Als 1872 aus dem Stiftshof, dem Stiftspachthof, dem Stiftsgut (bestehend aus ca.75 Acker Gärten und Ländereien und dem 528 3/4 Acker
großen , weitgehen zusammenhängenden Landkomplex, der zum Stiftspachthof gehörte) und dem zwischen 6 200 und 6 400 Acker
umfassenden Stiftsforst ein Gutsbezirk gebildet wurde (HStAM 165 Nr. 2852), scheint man ursprünglich daran gedacht zu haben, auch die
Freiheit in diesen Gutsbezirk des Stifts Kaufungen eunzubeziehen:
Im Preußischen Staatsdienst-Kalender für den Regierungsbezirk Kassel erscheint nämlich 1872 das Stiftsgut in Oberkaufungen mit 60 Häusern
und 417 Seelen, während der Gutsbezirk 1873 aus 7 Häusern mit 48 Einwohnern, 1911 aus 12 Häusern mit 128 Einwohnern bestand. Als
durch Gesetz vom 27.12.1927 die Gutsbezirke in Preußen gehoben wurden, ging auch der Gutsbezirk Stift Kaufungen in den Gemeinden
Oberkaufungen, Eschenstruht und Helsa auf.
Die Gemeinde Freiheit umfaßte das engere Stiftsareal sowie die heutigen Straßenzüge:
Zur schönen Aussicht, Hüttenhof, Tränkegasse, Dautenbach (Teil), Schulstraße (Teil),
Auf der Freiheit und Freiheiter Straße (ehemals Ziegelhüttenweg).